Herausforderungen bei Polizeiermittlungen von anarchistischen, direkten Aktionen

Inhalt

Originaltext auf Englisch
Challenges of Police Investigations Into Anarchist Direct Actions
No Trace Project

Deutsche Übersetzung
Jîyan

Lasst uns sagen, ein paar Anarchist*innen planen eine illegale, anonyme direkte Aktion. Zum Beispiel möchten sie eine Wand bemalen, eine Bank zerstören oder ein Regierungsgebäude abbrennen. Die Ziele der Polizei sind es, bei solchen Aktionen zu vermeiden, dass sie statt finden und/oder die Anarchist*innen identifizieren und gefangen nehmen und genug Beweise sammeln um sie zu verurteilen. Was kann die Polizei tun, um diese Ziele zu erreichen, abghängig von ihrer Motivation, ihrer Ressourcen, der Art der Aktion, und die Art, wie Anarchist*innen sich organisieren? Welche Herausforderungen werden ihnen begegnen? Und wie können Anarchist*innen diese Herausfoderungen als Schwäche identifizieren um sie auszunutzen und ohne gefangen genommen werden zu agieren?

Dieser Text hat das Ziel, einen Beitrag zu leisten um Fragen zu beantworten, die auf manche Punkte hindeuten, die in den letzten Jahren von der anarchistischen Literatur unzureichend untersucht wurden.

Die standardisierte Form der Überwachung

Das Register bildet unsere Erinnerung. Lass uns wissen, was du gesammelt hast. Notizen, die in der Schreibtischschublade liegen, können möglicherweise unser eigenes Wissen erweitern, aber nicht das Wissen der Abteilung. Stelle aus diesem Grund sicher, dass die Information registriert ist! Es ist dann nur dass du die Möglichkeiten des Teilens stärkst, um die immer wiederkehrende Frage zu beantworten: Wer ist das und was ist über die Person bekannt?“

Auszug einer Anweisung von 1953 der Säkerhetspolisen (Security Service), Schwedens hauptsächliche örtliche Sicherheitsbehörde.

Selbst bevor Anarchist*innen beginnen, eine Aktion zu planen sind sie bereits unter Beobachtung, insbesondere wenn sie ihre anarchistischen Ideen in öffentlichen Begebenheiten oder wenn ihnen vorgeworfen wird, in der Vergangenheit Aktionen begangen zu haben. Vielleicht sind ihre Namen auf einer Liste von Menschen, die „als eine Gefahr der nationalen Sicherheit angesehen werden,“ ihre Social Media Accounts werden beobachtet, ihre DNA ist in einer Datenbank, oder Informant*innen der Infiltrierer*innen nehmen an ihren Treffen teil. Diese standardisierte Form der Überwachung wird oft von Geheimdienstmitarbeiter*innen erledigt, die beauftragt sind, Informationen zu sammeln und zu analysieren um die Arbeit der Polizei zu unterstützen. Die Polizei hat eine lange Erinnerung, und die Informationen, die sie sammeln, können für Dekaden behalten werden.

Eine große Herausforderung, denen die Geheimdienstler gegenüber stehen, ist Geheimdienstlerfragmentierung, was passiert, wenn verschiedene Geheimdienstler verschiedener Unterabteilungen des gleichen Geheimdienstes, verschiedene Informationen über ein Problem haben und sie sich nicht ausreichend untereinander austauschen, was auf eine suboptimale Analyse herausläuft. Der primäre Grund dieser Wissensfragmentierung ist Geheimhaltung: Das Brauchen von Agent*innen um ihre Arbeit vor ihren Überwachungszielen und der Öffentlichkeit geheim zu halten. Um das Risiko von Datenlecks zu meiden ist das Teilen von Informationen absichtlich eingeschränkt, inklusive Sicherheitsüberprüfung, aufgeteilten Abteilungen und Analyst*innen, die auf einer was-sie-wissen-müssen Basis arbeiten. Zum Beispiel weiss ein lokales Polizeirevier vermutlich nicht, dass ein*e Informant*in Informationen über eine lokale anarchistische Gruppe weitergeben könnte, weil die Geheimdienstabteilung, die der*die Informant*in anstellt, dem lokalen Revier mit dieser Information nicht traut. Ein zweiter Grund für die Wissensfragmentierung ist Konkurrenz der Agent*innen. Sicherheitsabteilungen könnten zurückhaltend sein bei dem Teilen von Informationen untereinander weil sie verschiedene strategische oder politische Ziele haben. Zum Beispiel bevorzugt die Central Intelligence Agency (CIA) in den Vereinigten Staaten Langzeittreffen, während das Federal Bureau of Investigation (FBI) Kurzzeituntersuchungen prioritisiert um die Verfolgung aufzunehmen. Ein*e Agent*in könnte außerdem zurückhaltend sein, Informationen miteinander zu tauschen aus der Selbsterhaltung: Vielleicht kommt es zu einer Budgetkürzung, und Informationen teilen könnte die Möglichkeit untergraben, die Fähigkeit der*des Spion*in bei den politischen Führern unter Beweis zu stellen, dass sie es wert ist, und um eine Entlassung zu vermeiden.

Eine andere Herausforderung, denen Geheimdienstler*innen gegenüber stehen, ist, dass sie eine große Menge an gesammelten Daten analysieren müssen. Maschinen sind nun sehr gut darin, einen engen Arbeisbereich zu unterstützen, etwa das Vergleichen von einem DNA Profil gegen Millionen anderer Profile, oder ein Schlüsselwort in Millionen von digitalen Dateien finden. Für andere Aufgaben sind sie jedoch immer noch ihren menschlichen kognitiven Fähigkeiten untergeben, wie zum Beispiel neuartige, komplexe Probleme lösen, welche oft in Polizeiermittlungen auftauchen. Als ein Ergebnis brauchen die Geheimdienstabteilungen immer noch Menschen, die das meiste ihrer gesammelten Daten analysieren, die sie sammeln.

Geheimdienststellen müssen daher immer mit der individuellen Begrenzung der angestellten Menschen kämpfen. Agent*innen sind limitiert durch ihre eigenen intellektuellen Fähigkeiten, Angewohnheiten, und Wissen, und haben möglicherweise Interessen, die nicht mit der ihrer Geheimdienststelle übereinstimmen. Zum Beispiel wurde während des Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Großbritannien ein*e Forscher*in zu einem Polizeiüberwachungsteam zugefügt, welches einen physischen Überwachungseinsatz anführte. Während des Wartens darauf, dass das Ziel der Überwachung das Haus verlässt, der*die Forscher*in war in einem Auto verbunden mit einem Überwachungsleiter, der beunruhigter war, ein Signal zu bekommen auf seinem tragbaren Fernsehr, um das stattfindene Fussballspiel zu gucken, anstatt mit dem Überwachungseinsatz. In ihren Notizen schrieb der*die Forscher*in: „Wachsamkeit ist dauerhaft niedrig. Wir zirkelten im Schneckentempo herum, um das beste Signal zu finden. Ich habe meinen Arme außerhalb des Fensters um zu versuchen, die Antenne [Des Fernsehers] festzuhalten.“

In manchen Staaten ist sind die Geheimdienste weitreichend durch Korruption in ihren eigenen Reihen beeinflusst. Korrupte Mitglieder*innen der Geheimdienste und Polizeibeamte nehmen möglicherweise Bestechungsgelder, verfälschen Anzeichen, behandeln klassifizierte Information für ihre eigenen Ziele falsch, oder begleichen selektiv ihre Schulden. Sie bevorzugen möglicherweise, an Fällen zu arbeiten, die ihnen Bestechungsgelder einbringen oder eine Beförderung, und vermeiden Fällem bei denen viel Zeit und Papierarbeit gefordert ist.

In anarchistischen Gruppen ermitteln

„Anarchistische Gruppen — auf einer Linie ihrer Fundamentalideologie — weisen Autoriät ab. Dies spiegelt sich in ihren horizontaleren, organisatorischen Strukturen ab, welche meist einen Mangel an einer Liste an Kommandos aufweist oder einer Leitung, sie verlassen sich statt dessen auf eine dezentrale Gruppe oder Individuen welche durch die ideologische Übereinstimmung und Solidarität verbunden sind.“

Eurpäische Union Situation des Terrorismus und Trendbericht, 2024.

Die Anarchist*innen beginnen, eine Aktion zu planen. Die Summe der Menschen, welche planen und die Aktion durchführen ist, was wir die anarchistische Gruppe nennen. Diese Gruppe könnte bereits bestehen oder auch für diesen Grund enstanden sein. Es mag sein, dass sie nach der Aktion aufhört zu bestehen, oder dass sie bestehen bleibt und in der Zukunft mehr Aktionen durchführt. Sie kann spontan agieren, oder auch mit großer Vorbereitung, oder irgendetwas dazwischen. Sie könnte alleine agieren oder sie könnte Teil einer größeren Koordination sein, an der mehrere Gruppen beteiligt sind. So eine Koordination kann sehr eng sein, mit dem Teilnehmen von Gruppen, die zusammen planen und Aktionen ausführen, oder sehr lose, mit teilnehmenden Gruppen, die einfach nur ihre jeweilige Aktion mit dem gleichen Aktronym unterzeichnet, oder irgendetwas dazwischen.

Die strukturelle Fließbarkeit von anarchistischen Gruppen und ihre ausführende Sicherheitspraxis machen sie relativ resistent gegenüber Infiltration durch die Polizei. Eine von 2005 stammende Studie von den Vereinigten Staaten stellte die Schwierigkeiten heraus, anarchistische Gruppen zu infiltrieren: „Infiltrierung in ein Treffen einer großen Bezugsgruppe ist relativ leicht. Jedoch ist die Infiltration in eine radikale, revolutionäre 'Zelle' es nicht. Das natürliche Misstrauen der Bewegung und die angewandte Sicherheitsweiterentwicklung machen Infiltration schwierig und zeitaufwendig. Ein paar Behörden sind in der Lage, jahrelange Ermittlungen zu begehen, die Jahre von Vorarbeit benötigen, nur um in eine 'Zelle' zu gelangen, vor allem mit sinkenden Budgets und einer gestiegenden Vorderung, anderen Problemen Aufmerksamkeit zu spenden. Infiltration ist schwieriger durch die gemeinsame Natur des Livestyles (unter konstanter Beobachtung und Prüfung) und dem weitreichenden Wissen welches viele Anarchist*innen haben, welches ein beträchtliches Studium benötigt und Zeit um es zu erwerben.“

Die enge Bindung von Bezugsgruppen und manchmal Freundschaften, die typischerweise Teilnehmer*innen zusammen bringt in einer anarchistsichen Gruppe, macht sie relativ resistent zu polizeilichen Versuchen, Gruppenangehörige als Informant*innen zu gewinnen. Trotz dessen, wir sahen Anarchist*innen, die Informant*innen wurden in der Hoffnung, nicht ins Gefängnis gesandt zu werden, oder aus ideologischen Gründen (zum Beispiel die gewaltfreie Haltung, die sie dazu führt, Informationen preis zu geben zu Anarchist*innen, die gewaltvolle Taktiken bevorzugen), und unter dem Androhung von physischer Gewalt, oder unter aktueller Gewalt, oder für Geld.

Manche Polizei und Sicherheitsbehörden sind sich bewusst darüber, was wir hier beschrieben haben und passen sich an. Eine 2004 erstellte Bewertung der FBI Abteilung gegen Terror schrieb: „Bei der sehr genauen Prüfung von potenziellen Informant*innen und Undercover-Agent*innen, Öko-Terrorist*innen sind fähiger, eine erfolgreiche Gesetzesdurchsetzung zu vereiteln. Gesetzeshüter*innen sollten […] feststellen, dass Öko-Terrorist*innen sehr gut Polizeitaktikten lesen, Prozesse, und Strategien. Als Ergebnis müssen kreative Undercover Szenarien sorgfältig geplant werden […].“

Unbestimmte Konflikte zwischen anarchistischen Gruppen schaffen Gräben, die die Polizei ausnutzen kann um die Gruppen zu destabilisieren. Zum Beispiel, unadressierte Konflikte über die Legitimität der Nutzung von Gewalt kann von der Polizei genutzt werden, um Anarchist*innen in zwei gegenüberliegende „Seiten“ und kann ihre Repression erleichtern.

In manchen Kontexten, vor allem in urbanen Gegenden in bestimmten Ländern, gibt es starke linke, punkige, antifaschistische oder autonome Szenen. Das Vorhandensein dieser Szenen können Anarchist*innen soziale Verbindungen und Möglichkeiten beschaffen, um ihre Ideen zu teilen, und kann möglicherweise helfen, sie vor polizeilicher Repression zu schützen. Eine 2005 erhobene Studie von Großbritannien stellte im Bezug auf die Herausforderungen bei dem Inflitrieren von gewalttätigen aktivistischen Gruppen fest: „Weitere Verwirrung und Komplexitität tritt auf, wenn friedliche und es-gut-meinende Aktivist*innen sich bewusst oder unbewusst mit den gewalttätigen und gefährlichen Menschen vermischen. Dies ist besonders problematisch wenn Gruppen, die für sich beanspruchen, friedlich zu sein, sichere Häfen schaffen für Aktivist*innen, die gefährlichere und kriminelle Schäden anrichten.“

Nach der Aktion

„Wir limitieren das Sammeln von DNA von Oberflächen, die von Verdächtigen berührt wurden. Wir limitieren es zu ausschlieslich gewalttätigen Verbrechen. Wir erhalten selten Ergebnisse bei dieser Art der Sammlung. Manchmal klappt es, aber selten. Es ist nicht so offensichtlich wie wenn wir Ergebnisse liefern wie die von Anziehsachen. Aber wir werden diesen Extraschritt machen bei gewalttätigen Verbrechen. Wir haben allerdings zur Zeit nicht die Ressourcen, aber wir versuchen, es so effizient wie möglich zu machen, wenn wir unsere Tests erledigen und unsere Ressourcen und die Zeit unserer Angestellten nutzen.“

Ausschnitt aus der Abschrift eines in 2018 statt findenen Seminar in Florida, Vereinigte Staaten, von dem „Forensic Services Department“ (forensische Abteilung) des „Florida Department of Law Enforcement“ (Floridas Abteilung für Gesetzeserzwingung), die Teilnehmer waren Polizeiermittler, die ihre Dienste nutzen.

Die Anarchist*innen vollziehen eine Aktion. Die Polizei erscheint auf der Bildfläche und die Ermittlung beginnt. In den kommenden Stunden, Tagen, Monaten und Jahren wird die Polizei eine weite Spanne an Ermittlungstechniken anwenden um die Anarchist*innen zu identifizieren und genug Beweise sammeln um sie zu verurteilen… Oder sie ermitteln möglicherweise garnicht, oder irgendetwas dazwischen. Die Motivation der Polizei, nach einer Aktion zu ermitteln und die menschlichen und materiellen Ressourcen die sie dem widmen sind von verschiedenen Faktoren beeinflusst.

Zwei Faktoren, welche die Motivation und die Ressourcen der Polizei erhöhen sind ökonomische Schäden, die bei der Aktion getätigt wurden (und wieviel die Zerstörung oder der Diebstahl kostet) und die menschlicher Schaden (wie sehr es Menschen verletzt). Zusätzlich ist der potentielle ökonomische oder menschliche Schaden von der Aktion möglicherweise so einflussreich wie der vorhandene ökonomische oder menschliche Schaden. Zum Beispiel kann eine versuchte Brandstiftung, die keinen Schaden auslöste, da sie einen Brandbeschleuniger verwendete, der nicht zündete, aber eine Menge Schaden ausgelöst hätte, wäre er gezündet, die Ermittlung so gründlich werden lassen wie wenn der Beschleuniger nicht versagt hätte.

Ein anderer Faktor ist der politische Kontext der Aktion. Eine Aktion wird gründlicher untersucht, wenn es eine Person zum Ziel hat, oder eine Firma, oder eine Institution, die bevorzugter ist vom Staat oder der Polizei, so etwas wie ein*e wichtige*r Politiker*in, eine große Firma, oder eine Polizeiinstitution selbst. Der politische Kontext kann sich daraus entwickeln: bald stattfindene Wahlen, können den Staat dazu bringen, mehr in Repression von Anarchist*innen zu investieren um Macht darzustellen, und eine Serie von Aktionen gegen eine Firma kann die Interessensgruppen dazu bringen, den Staat mehr in die Repression der Aktionen zu investieren, derer sie ausgesetzt sind. Zum Beispiel, in Frankreich in 2019, folgend zu einem Anstieg der militanten Aktionen gegen die industrielle Agrarkultur, erhielt die Lobby der industriellen Agrarkultur eine eigene Schaffung einer neuen Polizeieinheit, deren Mitarbeiter*innen sich auf dieses Thema fokussierten.

Letztenendlich, die Fähigkeit, eine erfolgreiche Ermittlung durchzuführen, hängt, natürlich, von den Sicherheitsmaßnahmen der Anarchist*innen ab, vor, während und nach der Aktion. Manche Polizeiermittler*innen sind sich bewusst, dass Anarchist*innen zu gehobenen Sicherheitsmaßnahmen tendieren, und aus diesem Grund werden möglicherweise präventiv die Ressourcen, die sie einer Ermittlung bereit stellen, welche verdächtigt wird, von Anarchist*innen begangen worden zu sein. Eine Studie von 2018 aus Großbritannien stellte fest: „[Der] Fakt, dass [heimische Exremist*innen] sind so forensisch bewusst, rechtfertigt die Nutzung von Ressourcen, die genutzt werden bei schweren Verbrechen um die Aufklärungsrate zu erhöhen, zum Beispiel, Erhaltung der Szene um die offensichtlichen Entdeckungsraten zu erhöhen.“

Wenn wir die Nummer von für sich beanspruchten und nicht für sich beanspruchten Aktionen vergleichen, die auf anarchistischen Webseiten und in den Medien berichtet werden, können wir schätzen, dass in den meisten Kontexten die enorme Mehrheit der anarchistischen direkten Aktionen nie erfolgreich aufgeklärt werden.

Ausgleich haben zwischen Repression und dem Respekt von „Menschenrechten“

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. […] Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. […] Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz.[…] Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden. Jeder hat bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht. […] Niemand darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben […]“

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948.

Lasst uns sagen, die Anarchist*innen sind leider von der Polizei identifiziert worden, die nun wählen müssen, welcher Repression sie sich aussetzen wollen. Diese Wahl ist meist limitiert durch die Notwendigkeit, dass der Staat an „Menschenrechte“ respektiert. Staaten haben verschiedene Ansätze wie sie die „Menschenrechte“ respektieren, abhängig von ihrer internen politischen Situation, ihrer geopolitischen Allianzen und anderen historischen Faktoren. Zum Beispiel würden für die gleiche Aktion Anarchist*innen in Spanien gefangen genommen, gefoltert und gefangen genommen in Russland oder im Iran exekutiert werden.

Der relative Respekt des Staates für „Menschenrechte“ kann sich auf die Überwachungskapazitäten der Polizei auswirken. Zum Beispiel, automatische Identifikation von gesuchten Individuen die Gesichtserkennung in öffentlichen Videoüberwachungs-Netzwerken nutzen, ist verbreitet in China und Russland, aber generell nicht in der Nutzung von Westeuropa (noch).

Polizeirepression, die als zu harsch wahrgenommen wird, kann eine Gegenreaktion hervorrufen. Da kann eine mediale Gegenreaktion erfolgen in der Form von negativen Berichten von lokalen Journalist*innen, Organisationen innerhalb der Regierung wie zum Beispiel die Vereinten Nationen, oder Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International. Die Gegenreaktion kann ausserdem die Form von Solidaritätsaktionen von anderen Anarchist*innen annehmen, was direkte Aktionen einnschliessen kann. Zum Beispiel hat in 2022 der italienische Staat beschlossen, den anarchistischen Gefangenen Alfredo Cospito in ein harscheres Gefängnisregim überzusenden. Diese Entscheidung führte zu einem 180-tägigen Hungerstreik von Cospito, sowie die internationale Solidaritätskampagne welche Angriffe auf italienische Diplomat*innen in verschiedenen Staaten einschloss. Eine 2024 geschriebene Studie beschreibt: „Wenn irgendetwas, die Cospito Angelegenheit zeigte, dass die starke Hand des italienischen Justizsystems stark dazu beitrug, die Situation eskalieren zu lassen. Wie immer ein wohlproportionierter Vorgang welches die militärische Antwort nicht zu stark betont und welches an demokratischen Prinzipien und der Regel des Gesetzes festhält sollte ein Grundstein sein bei jeder gegenterroristischen Strategie.“

Abschließende Anmerkungen

Wir haben manche der Herausforderungen diskutiert, denen die Polizei gegenübersteht, wenn sie in anarchstischen, direkten Aktionen ermittelt. Wie können wir diese Herausforderungen als Schwäche identifizieren, um sie auszunutzen und handeln können ohne gefangen genommen zu werden? Hier sind einige Vorschläge.

Erwarte die standardisierte Form der Überwachung, die von den Geheimdienstler*innen als partiell, suboptimal, und manchmal noch nicht mal im besten Sinne der Polizei. Sie wissen nicht alles über dich. Sie wissen vielleicht garnichts über dich. Sie sind einfach nur Menschen mit einer Menge Kraft, Geld und Werkzeug.

Verstehe, dass die strukturelle Fliessfähigkeit und engen Bünden von unseren Gruppen für uns wichtige Sicherheitsvorteile bereitstellen. Bilde dezentrale Gruppen die auf Übereinstimmung und Vertrauen basieren. Respektiere das wer-muss-was-wissen Prinzip.

Sprich Konflikte innerhalb deiner Gruppen an, eh sie von der Polizei ausgenutzt werden können. Manche Konflikte gehen zu tief um sie zu klären: Erlaube es, Gruppen, sich zu reformieren und sich aufzuteilen anstatt auf Zusammenhalt zu bestehen.

Erkenne, wenn und wie deine Beziehungen mit anderen politischen Szenen einen positiven Einfluss haben können auf deine Sicherheit. Deine Sicherheit kann möglicherweise eine Lüge von dir verlangen, oder dass du deine wahre Intention versteckst. Entscheide, was du machen möchtest, basierend auf deinen Prinzipien, nicht denen des Staates.

Beurteile die warscheinliche Motivation und Resscourcen der Polizei, in deinen Aktionen zu ermitteln, und nehme angemessene Sicherheitsvorkehrungen, basierend auf dieser Beurteilung. Studiere vergangene repressive Ermittlungen Überlege, ob du mit kleineren Aktionen üben möchtest, ehe du zu größeren übergehst. Minimiere, vor, während und nach der Aktion, Spuren zu hinterlassen, die zu dir führen könnten. Entscheide, welche Risiken du gewillt bist, auf dich zu nehmen, und was die möglichen Konsequenzen sind, mit denen es dir möglich ist, zu leben.

Berücksichtige, dass Polizeiaktivitäten gezwungen sind durch die relative Notwendigkeit des Staates, „Menschenrechte“ zu respektieren.

Die Polizei ist nicht allmächtig. Du kannst sie überraschen, du kannst sie besiegen, du kannst durch ihre Netze schlüpfen. Wir wünschen dir Mut, Stärke und Glück.

No Trace Project